Mit der Geburt meiner Tochter die tiefste und berührendste Erfahrung
89 Jahre alt wurde meine heiß geliebte Großmutter.
Sie hatte ihr bewegtes Leben mit zwei Weltkriegen gelebt und wusste, sie würde bald gehen. Manchmal sprach sie in diesen Tagen lettisch mit mir, ihre Kindheitssprache. Zum Glück war sie so klar bei Verstand, dass sie mir die Worte übersetzen konnte – einige weiß ich bis heute.

Mit dem Rollstuhl gingen wir täglich in die Weinberge.
Morgens aufzustehen und ordentlich angezogen zu sein – das Haus verließ sie nie ohne Hut – galt für sie bis zum letzten Tag.
An einem Nachmittag, sie lag auf dem Sofa, um sich auszuruhen, saß ich mit dem Kopf von ihr abgewandt weinend auf der Erde – vermeintlich nicht zu hören. Ganz zart streichelte sie mich und sagte voller Liebe: „Weine nur“.
15 Jahre früher, Großvater war gestorben und ich weinte, wies sie mich harsch zurecht, ich solle mich gefälligst zusammenreißen – ich war damals 11 Jahre alt. An ihrem letzten Abend besuchte uns einer ihrer Söhne. Großmutter wollte nochmals ein Gläschen Wein mit uns trinken – für sie war es vielleicht ein Fingerhut voll.
Zur Nacht half ich ihr wie gewohnt, beim zu Bett gehen. In der Nacht rief sie mich. Saß an ihrer Bettkante, streichelte sie und hielt ihre Hand. Am frühen Morgen schlief sie friedlich ein. In ihrem Sterbezimmer wurde sie aufgebahrt, so dass sich jeder auch allein von ihr verabschieden konnte.